Ibrahim Abouleish
1937 -  2017


Ibrahim Abouleish ist am Morgen des Fronleichnamstages - gerade beim Ruf des Muezzins zum Morgengebet - aus seinem irdischen Leben über die Schwelle gegangen. Es war der Morgen vor den letzten zehn Tagen des heiligen Monats Ramadan - das sind jene Tage, in denen nach islamischer Überzeugung  Gott uns den meisten Segen zuteilwerden lässt. So hat Ibrahim Abouleish wohl auch im Tode die Brücke zwischen Christentum und Islam, zwischen Okzident und Orient geschlagen - ein Bemühen, dem er sein ganzes Leben widmete.
 
Ibrahim Abouleish gab ursprünglich seiner Autobiographie den Titel „Die SEKEM-VISION - Eine Begegnung von Orient und Okzident verändert Ägypten“. Ein Jahr vor seinem Tode wählte er für die Neuauflage den Titel: „Die SEKEM-SYMPHONIE - Nachhaltige Entwicklung für Ägypten in weltweiter Vernetzung“.
Und wahrlich: es ist Ibrahim Abouleish gelungen, mit außerordentlicher Durchhaltekraft den Schritt von der Vision zur konkreten Umsetzung zu schaffen. SEKEM, 2003 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, ist heute im 40. Jahr seines Bestehens zu einem Kosmos aus erfolgreichen Firmen, Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Universität, medizinischen und kulturellen Einrichtungen geworden:  „SEKEM ist der Zusammenklang aller einzelnen Bereiche, die, für sich gesehen, autonom sind. Und doch macht erst das Zusammenspiel, das Miteinander der einzelnen Bereiche, das Ganze aus, wie bei einer Symphonie.“

Das weltweit gewürdigte Lebenswerk von Ibrahim Abouleish hat maßgebliche Wurzeln in Österreich. Hier hat Ibrahim Abouleish studiert, hier hat er seine Frau Gudrun kennen gelernt, hier wurden seine beiden Kinder Helmy und Mona geboren - und hier hat er den anthroposophischen Impuls erhalten, sich der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und der Geisteswissenschaft zu widmen. „Meine eigenen geistigen Quellen liegen in den unterschiedlichsten Kulturräumen: in der islamischen Welt und im europäischen Geistesgut“.
Mit Österreich blieb Ibrahim Abouleish immer besonders verbunden. Zum 10-jährigen Jubiläum von SEKEM-Österreich hielt er 2014 die Festrede mit dem Titel „Kunst und nachhaltige Entwicklung“, in der er eine Viergliederung des menschlichen Tuns postulierte: Nur wenn Wirtschaftsleben, Rechtsleben, Kultur und Natur in einem steten Gleichgewicht gehalten werden, kann es nachhaltige und menschengerechte  Entwicklung geben. Und noch kurze Zeit vor seinem Tode hatte er in SEKEM eine große Gruppe aus Österreich zu einer ausführlichen Aussprache zu sich nach Hause geladen, an die wir heute sehr dankbar denken. Die bis zuletzt nicht erlahmende Initiativkraft von Ibrahim Abouleish wird uns auch in Zukunft Inspiration, Ermunterung und Vorbild bleiben.

Und um die Zukunft von SEKEM muss uns nicht bange sein. Nach dem Tode von Ibrahim Abouleish wurde in SEKEM unter dem Titel SEKEMsophia ein strategisches Zukunftsprojekt entwickelt, das die Erkenntnisse des noch von Ibrahim Abouleish in SEKEM eingerichteten Zukunftsrates weiterführt. Daraus sei hier zitiert:
„Unterschiedliche Bewusstseinsstufen benötigen entsprechende Führungsstile, die angemessene Rahmenbedingungen für Verantwortungsbereiche bieten. Was wird wo benötigt? Und: Was funktioniert wie und wo am besten? Das sind die wesentlichen Fragen, die wir uns in den kommenden Jahren immer wieder stellen wollen. So wurde ein Projekt entwickelt, das das Ziel verfolgt, eine lebendige Führungs-Struktur aufzubauen, bei der ein ganzheitlicher Entwicklungsansatz für die Menschen berücksichtigt wird. So soll eine nachhaltig erfolgreiche Nachfolge entstehen. Dadurch wird sich das soziale Gefüge sicherlich erheblich verändern und der Prozess wird wahrscheinlich noch Jahre dauern. Aber dieser Wandel ist notwendig und vereint die Wertschätzung der Vergangenheit mit dem erfolgreichen Pioniergeist von Ibrahim Abouleish und die Zuversicht in die Zukunft mit dem, was durch die neue Generation entstehen wird. Diese neue Phase kann symbolisch mit einem Feuervogel verglichen werden, der sich aus der Asche des großartig führenden Lichtes, das Ibrahim Abouleish wirklich war, erhebt. Wir sehen darin den natürlichen, wenn auch schmerzhaften Prozess der Geburt von etwas Neuem.“

In diesem Optimismus freuen wir uns, wenn auch wir in Österreich, gemeinsam mit allen am SEKEM-Impuls Interessierten und mit den anderen europäischen SEKEM-Vereinen, bei diesem Neuen mitwirken und mithelfen können!

Hermann Becke (im Namen des Vorstandes von SEKEM-Österreich)

Grabmal IA am Tag nach der Beisetzung IA 2014
IA SEKEM Ö März 2017 SEKEMsophia