SEKEM-Reise 2019 - 2.Teil (5.11. - 11.11.2019):
Auf dem Nil von Luxor nach Assuan mit Bruno Sandkühler
Nach dem Ende des SEKEM-Sophia-Seminars machten sich 7 Vereinsmitglieder aus Österreich gemeinsam mit 4 deutschen SEKEM-Freunden und mit Regina Hanel von SEKEM, für deren Unterstützung und Begleitung wir sehr dankbar waren, auf zum mit Spannung erwarteten Abenteuer des zweiten Reiseteiles. Wir flogen von Kairo nach Luxor. Dort erwartete uns am Flughafen Bruno Sandkühler, wohl einer der erfahrensten und renommiertesten Kenner des Alten Ägyptens und langjähriger freundschaftlicher Begleiter der Reisen von SEKEM-Österreich. Er hatte alles wunderbar vorbereitet und uns mit einem Bus abgeholt, der uns nach Esna (rund 60 km südlich von Luxor) brachte, wo wir uns noch am Abend einschiffen konnten. Wir wurden gastfreundlich auf dem Sandal El-Gourna aufgenommen, einem umgebauten ehemaligen Lastschiff, das gerade genug Platz bot, um unsere Gruppe samt der Besatzung aufzunehmen. Dieses einfache Boot sollte uns nun vier Tage lang beherbergen und bis nach Assuan bringen.
Es war ein wunderbar entschleunigtes Gleiten auf dem Nil entlang fruchtbarer Ufer und Inseln. Unterwegs legten wir immer wieder an, um Sehenswertes unter der kundigen Anleitung von Bruno Sandkühler zu besichtigen. Daneben blieb genügend Zeit für entspanntes Genießen, für Gespräche, aber auch für Reflektieren dessen, was wir in den Tagen davor in SEKEM und an der Heliopolis-Universität - also in Unterägypten - erlebt hatten und nun auf der Nilreise mit Eindrücken aus Oberägypten ergänzen konnten. Bruno Sandkühler erläuterte die überall sichtbar werdende Polarität:
„Polarität und Ausgleich bilden das Grundprinzip der altägyptischen Kultur. Es kommt im Begriff der ‚Vereinigung der beiden Länder‘ (sma tawy) tausendfach in Texten und Bildern zum Ausdruck. Die beiden Länder sind geographisch Ober- und Unterägypten, geistig die Kräfte von Horus und Setech, das systolische und diastolische Prinzip. Für das Zusammenwirken ist das Atmen ein Bild“. Sandkühlers überaus empfehlenswertes Buch „Lotus und Papyrus - der Atem Ägyptens“ dokumentiert diese Polarität - das Buch ist übrigens derzeit zu deutlich reduziertem Preis hier erhältlich und allen Ägypten-Interessierten sehr zu empfehlen.
Der Verfasser dieses Berichts erinnerte sich auf dieser Reise, dass die Eröffnung der Heliopolis-Universität genau ein Jahrsiebent zurückliegt - die symbolische Grundsteinlegung für die HU (mit Versenkung guter Wünsche in einem Pentagondodekaeder) erfolgte durch Ibrahim Abouleish am 11.11.2012 - siehe dazu den damaligen Beitrag von SEKEM-Österreich mit vielen Fotos.
Um in diesem Zusammenhang nur ein Beispiel für auf dieser Reise erlebte Assoziationen zu nennen:
Wenn wir im prächtigen Horus-Tempel in Edfu den Sonnenpfeiler der Heliopolis-Hieroglyphe sehen und einige Tage später im Steinbruch von Assuan den nicht vom Felsbett gelösten unvollendeten Obelisk bestaunen - mit 42m Länge und einem geschätzten Gewicht von knapp 1200 Tonnen wahrscheinlich der größte jemals geplante Obelisk aus der 18. Dynastie (1550 bis 1292 v.Chr.) -, dann wird man an die Gespräche über das Logo der Heliopolis-Universität erinnert. Im Protokoll der europäischen SEKEM-Freunde vom November 2012 liest man dazu:
Ein Charakteristikum des alten Heliopolis war eine Vielzahl von Obelisken. Und so sieht Ibrahim Abouleish in der gelben Aufrechten des Logos den Obelisken bzw. das Denken, der linke rot-lila Balken symbolisiert die Wissenschaft und der rechte geschwungene Teil die Kunst. Zur Farbensymbolik: Gelb – Merkur (Verwandlung), Rot/Violett – Mars, Orange – Jupiter
Es ist weder möglich noch sinnvoll, unsere Nilreise in allen Details zu schildern - es mögen im Folgenden vor allem die Bilder sprechen!
Erstes Anlegen in Elkab und Besichtigung der Stadtmauer einer der ältesten Städte Ägyptens - Necheb - mit der gut erhaltenen gigantischen Umfassungsmauer aus ungebrannten Nilschlammziegeln, die auch nach fast 5000 Jahren gut erhalten sind:
Der Horus-Tempel in Edfu stammt zwar aus der Ptolemäerzeit (3. - 1. Jh.v.Chr.) - allerdings errichtet in einer Bautradition, die bis ins 3.Jt.v.Chr. zurückreicht:
Fruchtbare Landwirtschaft auf einer Nilinsel unter Mangobäumen:
Die Sandsteinbrüche von Gebel al-Silsila direkt am Ufer des Nils. Das Baumaterial praktisch aller Tempel in Oberägypten stammt von hier. Der Sandstein ließ sich in diesem Steinbruch leicht und in großen Mengen abbauen. Die Steinqualität ist sehr gut, noch bis zu 40 Meter hoch anstehende Wände zeigen an, dass es in diesen Lagen kaum Störungen gegeben hat:
Im Nil erfrischen sich nicht nur Kuhreiher und Wasserbüffel, sondern auch Mutige unserer Gruppe:
Direkt am östlichen Nilufer liegt der Doppeltempel von Kom Ombo, der dem Krokodilgott Sobek und dem falkenköpfigen Haroeris geweiht ist - unter anderem mit Krokodilmumien und -sarkophagen, aber auch mit interessanten Assoziationen zu christlichen Symbolen:
Am letzten Abend gab es Abschied mit Musik und Tanz, am nächsten Morgen den gebührenden Dank an die Mannschaft und (über sehr schmalen Steg!) Verlassen des Schiffs - Gott sei Dank hat die Mannschaft den Gepäcktransport übernommen!
Nun ging es mit einem Bus nach Assuan, der südlichsten Stadt Ägyptens mit derzeit knapp 300.000 Einwohnern. Assuan assoziiert man bei uns vor allem mit den beiden Staudämmen. Im Jahr 1902 ging der alte, von den Engländern erbaute, zwei Kilometer lange Staudamm sechs Kilometer südlich der Stadt im Bereich des 1. Katarakts in Betrieb. 13 Kilometer südlich der Stadt liegt dann der 2. Damm, der 1970 fertiggestellte Assuanhochdamm mit 3,6 Kilometer Länge und 111 Meter Höhe.
Wir fuhren mit dem Bus dem Nil entlang durch Assuan, um als erstes die berühmte Tempelinsel Philae aufzusuchen. Dieses Isis-Heiligtum wurde bereits nach Errichtung des ersten Staudamms vom Stausee überspült. Der Bau des Assuan-Hochdamms etwa sechs Kilometer südlich von Philae eröffnete dann für die Bauten auf der Insel neue Probleme: statt eines gleichmäßigen Wasserpegels hätte ein ständiger Zu- und Abfluss des Wassers zwischen den beiden Staumauern des alten und neuen Dammes die Fundamente der Tempelanlagen ausgewaschen. Man veranlasste daher ab 1972 den Umzug der Tempelanlagen von Philae auf die höher gelegene Nachbarinsel Agilkia. Und hier konnten wir die originalgetreu wiedererrichtete Anlage besichtigen.
Unser Gepäck war inzwischen gut in das Sara-Hotel gelangt, wo wir für die beiden letzten Tage untergebracht waren. Die Lage des Hotels war gut gewählt - hoch oben auf den Felsen mit einem prachtvollen Blick auf den sich vor den Katarakten verengenden Nil und gleichzeitig am Südende von Assuan, damit wir am Abflugtag rasch den Flughafen erreichen konnten. Am Nachmittag brachte uns ein Boot in langer, aber abwechslungsreicher Fahrt durch prachtvolle Nillandschaft weit in den Süden zu einem köstlichen Essen in einem bunten nubischen Dorf mit Blick auf den Nil und den nun nahegerückten Riesenstaudamm:
Am letzten Vormittag teilten wir uns - eine Gruppe besuchte den ausgedehnten botanischen Garten auf der Kitchener-Insel, die andere Gruppe machte sich auf den Weg zu den Ruinen des im 6.Jahrhundert gegründeten koptischen Simeonskloster. Mit seiner noch gut erhaltenen Architektur gehört die Anlage zu den bedeutendsten Klosterbauten Ägyptens. Der Aufstieg zum Kloster durch die Wüste wurde teils zu Fuß, teils auf Kamelen bewältigt - mit prachtvollem Blick auf das am anderen Nilufer liegende Assuan.
Mit der Besichtigung dieses Kulturdenkmals hatte sich auch der Kreis unserer Besichtigungen in Ägypten geschlossen - hatten wir doch zu Beginn der Reise das Koptische Viertel in Kairo besucht (siehe dazu den Bericht über Teil1).
Am Nachmittag gab es dann einen ausführlichen Besuch des von den Einheimischen Sharia as-Souq genannten Basars - in ägyptischer und afrikanischer Farbenpracht:
Wie jeder Tag auf unserer Nilreise schloss auch der letzte Tag mit einem Gesprächskreis um Bruno Sandkühler - diesmal wohl ein wenig wehmütig, da ja die gemeinsamen Tage zu Ende waren. Aber ich glaube, im Namen der ganzen Gruppe dankbar sagen zu können, dass jede/r von uns ein wenig von dem mitnehmen konnte, was Bruno Sandkühler an den Anfang seines Buchs als Motto gestellt hatte und uns durch seine Reisebegleitung so wunderbar vermittelt hatte:
Weißt du denn nicht, O Asklepius, dass Ägypten ein Abbild des Himmels ist, oder genauer noch, die Übertragung oder das Herabsteigen all dessen, was im Himmmel lenkt und wirkt? Wollen wir es noch zutreffender sagen: unser Land ist der Tempel der ganzen Welt.
(Zitat aus den Hag-Hammadi-Schriften, gefunden 1945 in Oberägypten)
Hermann Becke, November 2019